Chapines & Guanacos

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Der Grenzübergang El Ceibo ist wahrscheinlich der zweitkleinste an dem ich je war. Man merkte sehr stark, dass Mexiko ein (mehr oder weniger) Industrieland ist und dass auf der anderen Seite der Grenze ein Schwellenland auf uns wartete. Die beiden Grenzbeamten auf der guatemalekischen Seite saßen geduldig in ihrer Holzhütte mit Ventilator, während in Mexiko die Beamten eigene Büros haben und einem schon nach 5 Minuten im Raum die Nase wegen der Kälte läuft. Die krasse Grenzanlage der Mexikaner bezahlten wahrscheinlich die Touristen, denn die Ausreisegebühr von 500 Pesos (24 Euro) ist sehr happig. Doch dann das Milagro: Wir wurden nicht aufgefordert eine Ausreisegebühr zu bezahlen, erhielten die Stempel und sind im wahrsten Sinne des Wortes über die Grenze gerannt, hin zu den zwei netten Herren im Holzvorschlag, aus Angst, dass Mexiko einfällt, uns wegen der Ausreisegebühr zurück zurufen. Wir wurden ziemlich freundlich begrüßt und machten einige Witze mit den Beamten über deutsche Touristen und durften uns interessante Klischees anhören. Auf die Frage, wo man denn Geld wechseln könne, zeigte mir ein Beamte auf einen Kerl mit Gürteltasche und meinte: „Der da hinten auf der Strasse wechselt dir die Pesos“. Nice, er sah zwar nicht wie ein Mann des Vertrauens aus aber es war keine Kommission fällig. Pesos eingetauscht und schon saßen wir im Chickenbus nach Florés. Die Fahrt war ziemlich beeindruckend, abwechselnd wegen des landschaftlichen Panoramas und wegen des Getrubels in den Dörfern. Eigentlich ist das immer das gleiche in Mittelamerika: Auf den Straßen in den Ortschaften und Städten wird alles gehandelt! Wirklich alles. Irgendwelcher Plastiknonsens, Hühner und Kühe, Macheten, Unterhosen, Früchte, geklaute Handys, usw. Einer zuverlässigen Studie zufolge ist mehr als die Hälfte völliger Schrott. Die Sachen auf dem Markt haben weder Qualität noch Nachhaltigkeit. Habe mir heute allerdings notgedrungen Batterien für die Stirnlampe gekauft und bin gespannt wie viele Millisekunden sie halten werden (23 Cent für 4 Stück).

In Santa Elena angekommen nahmen wir unsere Backpacks und liefen richtung Florés. Florés ist eine Insel auf dem Lago de Petén Itzá mit einer sehr interessanten Geschichte. Es war das letzte überlebende unabhängige Maya-Königreich der Itzá, welches die Insel bewohnte und sie den Spaniern nicht hergeben wollte. Erst 1697 schafften es die Spanier doch noch und machten die Insel platt. Heute ist die Insel ziemlich zugebaut und steht auf den Ruinen von Tayasal. Florés ist auch Ausgangspunkt für alle möglichen Touren, zum Beispiel nach Tikal oder die sagenumwobenen Ruinen von El Mirador, wo die größte, je in einer Mayastadt gebaute Pyramide steht (70m). Die mindestens fünftägige Tour durch unwegsamen Dschungel dorthin ist fürs nächste Mal vorgemerkt! Guatemaleken (Chapines) sind sehr liebevolle und hilfsbereite Menschen. Besonders hilfsbereit sind sie, wenn sie dabei ein Geschäft wittern. Alles hatte irgendwie seinen Preis und wenig geschah aus Gastfreundschaft. Klar, man kann nicht jedem Touristen gegenüber eine mega Gastfreundschaft an den Tag legen aber ich war doch enttäuscht in welcher Art und Weise ich es erlebte.

In Florés hielten wir es nur einen Tag lang aus, denn da sie Stadt ziemlich touristisch ist, sind die Preise ziemlich hoch und so zogen wir weiter nach El Remate, ein schönes, ruhiges Dorf direkt am See gelegen. Dort hausten wir im Alice Guesthouse und erholten uns erst Mal von Trubel der letzten Tage. Der Spaziergang im Bioreservat dort war ziemlich schön und man konnte Brüllaffen sich aus nächster Nähe unterhalten (sehr laut brüllen) hören. In El Remate wollten wir dann auch unsere Sachen waschen, da viele schon seit Tagen feucht waren und zu stinken begangen. Am Ende war es nicht so klug sie zu waschen, da uns der Regen verfolgte und die Sachen vier volle Tage brauchten um halbwegs zu trocknen. Nach diesen vier Tagen war der Geruch nicht besser, aber was soll man machen.

Highlight von unserem Aufenthalt in El Remate waren die Ruinen von Tikal. Bei strömenden Regen. So beeindruckend Tikal auch ist und für uns auch war, der Regen machte uns mittlerweile schwer zu schaffen. Die Feuchtigkeit drang überall hinein und mein Körper fühlte sich schlapp, die Gelenke schmerzten und die Kopfschmerzen wurden immer größer. Wir mussten eine Entscheidung treffen, die den weiteren Verlauf der Reise ändern würde: Wir nahmen am nächsten morgen den nächsten Bus nach Guatemala-City und von dort aus am nächsten Tag den Chickenbus nach El Salvador mit dem Ziel endlich Sonne am Meer zu haben und uns zu erholen. Es ist immer so kurz und knapp erzählt, dass man von A nach B gereist ist, aber tatsächlich könnte ich ganze Romane, nur von der einen 12 statt 5 stündigen Busfahrt von Santa Elena nach Guatemala Stadt, schreiben. Wir hatten immer das Vergnügen die verrantzesten Busse abzukriegen und sahen immer den Luxuslinern dabei zu abzufahren, die mit WLAN, Toilette an Board und extra-breiten Sitzen ausgestattet waren. Das letzte Viertel hat Manni der Busfahrer die Straße mit einer Rennstrecke verwechselt und ist so dermaßen gerast, dass ihn sogar die Polizei anhielt, was mal ne Aussage ist! Obwohl in Guatemala Rechtsverkehr gilt, verbrachte der Bus die meiste Zeit auf der linken Spur, 55 Tonnen schwere LKWs überholend und kurz vorm Zusammenprall mit dem Gegenverkehr wieder rechts einscherend. Nichts für schwache Nerven!

Guatemala wird für mich nie Öko-Reiseland werden seit dem ich gesehen habe, dass man ganze Berge halbiert nur um einen neuen Highway zu bauen. Der Staub und der Stau bei der Baustelle waren von enormen Ausmaß. Statt Brücken und Umfahrungen zu bauen wird, hier einfach ein Berg platt gemacht.

Ab Guatemala brachte uns dann der nächste Racing-Chickenbus an die Grenze zu El Salvador. Wir passierten auf der Busfahrt vier Vulkane (Agua, Pacaya, Fuego und Acatenango) und meine Vorfreude auf die Besteigung des Acatenango (4.000m), in einer Woche, stieg rasant an.

Nach einem gigantischen LKW Stau an der Grenze zu El Salvador bei Pedro de Alvarado betraten wir ein Land, dessen Reputation ehr schlecht als Recht ist. Man hört nur von Kriminalität hier und Toten da. Unser Ziel La Libertad schien uns heute unerreichbar, da es bald zu dämmern anfangen würde. Wir wollten aber auch nicht in einer Arbeiterstadt, der Endstation des Busses, ein Hotel nehmen müssen. Fest entschlossen die restlichen 45 km zu trampen stiegen wir einfach an einer aus Kreuzung aus und wurden auch Recht zügig von drei Herren in ihrem Pickup mitgenommen. Oben genossen wir erst den Sonnenuntergang und machen uns dann leicht besorgt Pläne, wie wir bei einem möglichen Überfall der drei Herren reagieren würden. Ich nahm Pfefferspray und Taschenmesser griffbereit in die Hände und Ferhat nahm sein Fake-Obsidianmesser raus. Schlussendlich hat das trampen in El Salvador am frühen Abend funktioniert, aber es war auch ein sehr hohes Risiko dabei. Ich glaube generell an das Gute im Menschen und so war es gut, das Ferhart den Risiken etwas mehr ins Auge blickte und mich so sensibel dafür machte. Als wir dann irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit an einem Straßenrand rausgelassen würden, standen wir etwas ratlos da. Wir hatten weder Reservierung in einem Hostel noch einen Plan, wo wir in jener Nacht schlafen sollten. Im extremen Notfall hatte ich mein Zelt dabei. Dazu kam es aber Gott sei Dank nicht: Als ich eine Dame fragte, ob es noch öffentliche Busse nach La Libertad gäbe, lächelte sie mich freundlich aber auch etwas besorgt an und bot mir an, dass Ferhat und ich bei ihrer Familie in einer Cabaña direkt am Meer übernachten könnten. Was ein Segen, denn die Cabaña lag am Traumstrand. Ewig langer, schwarzer Strand, keine Menschen, sternenklarer Himmel und frischer Wind: all die Strapazen mit dem Regen und die nie enden wollenden Busfahrten hatten ein Ende. Ich dankte Gott, das er immer noch ein Ass im Ärmel hat und uns mit dieser Unterkunft sehr gesegnet hat. Am nächsten Morgen lernten wir dann die Familie so richtig kennen. Es waren Menschen aus sehr einfachen Verhältnissen. Fischerleute, die vom täglichem Dollar leben und jeder nach dem anderem Familienmitglied sieht und zusammen durch schwierige Zeiten gehen. Alle Gespräche mit den Kindern und dem Erwachsenen, vor Allem mit der Großmutter, waren eine Bereicherung für mein Leben! Der Vater der Familie lebte 8 Jahre lang illegal als Arbeiter in den USA um seine Familie mit etwas mehr Geld versorgen zu können. Der Toyota Pickup bezeugte das. Alles hoch-demütige Menschen die mich nochmals erkennen ließen, dass man kein Geld zum Glücklichsein braucht! Geld verhilft zu Wohlstand aber führt niemals zu dauerhaften Glück (genug jetzt mit Weisheiten). Die Familie hat bei mir absoluten Heldenstatus, auch weil wir unsere Kleidung in einer normalen Waschmaschine waschen durften. Endlich kann ich wieder meine eigenen T-Shirts riechen, ohne das Gesicht zu verziehen. Am liebsten wären wir länger geblieben, aber La Libertad rufte uns. Nach kurzer Fahrt mit dem Chickenbus, schlugen wir unser Lager in Antonios Campingplatz in El Sunzal auf. Antonio ist wirklich der freundlichste Hostelbesitzer, den ich je kennenlernen durfte. Es ist der mit Abstand günstigste Campingplatz in einer eher teuren Touristengegend. Krasser Gegensatz zu dem Ort von wo wir kamen: die Strände waren etwas zugebaut mit Restaurants, Hotels und Läden für Surfzubehör. Um Geld zu sparen aßen wir jeden Abend Papusas, eine Spezialität aus El Salvador, eigentlich nichts anderes als zwei Tortillas übereinander mit verschiedenen Füllungen. Mittlerweile hängen mir die Papusas schon aus der Ohren raus und um meinen Körper eine Auszeit von dem sehr ungesunden und fleischintensivem Essen zu gönnen, war heute alles Essen vegan, bis auf den Snickers. Ist Coca Cola eigentlich Vegan? Wenn nein, dann war’s doch kein so veganer Tag.

Am Sonntag besuchte ich die größte evangelikale Kirche Mittelamerikas mit über 50.000 wöchentlichen Besuchern. Der Stadtteil in San Salvador war sichtlich geprägt von dieser Mega Church: überall gab es Angebote was zu essen, es gab ein überdimensionales Parkhaus, Polizisten sorgten dafür, das die Massen geordnet den Weg ins Gebäude fanden, sprich es war wie ein Stadionbesuch. Nach der Kirche schlenderte ich durch die Märkte von San Salvador. Was mir sofort auffiel war die starke Präsens vom Militär. In der letzten Woche gab es zwei große Schießereien im Zentrum und man spürte die Anspannung sehr.

Am nächsten Tag wurden die Sachen gepackt und und der Chickenbus nach Santa Ana, der zweitgrößten Stadt hier genommen. Antonio half uns den Bus anzuhalten, denn sonst würde der getunte Schulbus an uns vorbei düsen. In Santa Ana zog ich nochmal das große Los mit en Hostel. Hostelbesitzer Bruno ist ein übertrieben freundlicher Mann und es entwickelte sich sofort eine Freundschaft. Am Abend waren wir und noch drei Freunde von ihm im Cafe eines Freundes und redeten über Gott und die Welt. Dabei war es selbstverständlich, dass ich vom Cafebesitzer eingeladen wurde, und hier merkte ich den deutlichen Unterschied zu Guatemala. Es war auch mega lehrreich nochmal die El Salvadorensische Mentalität kennenzulernen und ich muss sagen: El Salvador hat mich überrascht. Nicht nur das Land ist schön, sondern vor allem die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Ich werde bald wiederkommen! Die Menschen hier werden übrigens Guanacos genannt.

Jetzt geht es für mich wieder zurück nach Guatemala, wo ich Claudio treffen und mit ihm zusammen Richtung Panama reisen werde.

Auf dem Programm der nächsten 2 Wochen stehen: zwei Vulkanbesteigungen (San Pedro und Acatenango), Atilán-See, einwöchiger Tauchkurs in Honduras

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